Grätzlfestgeschichten

Wenn Burschen beim Arbeiten aufblühen

lobby.16 ist überzeugt: Ohne Bildung kann Integration nicht gelingen. Daher kümmert sich der Verein mit viel Liebe um Bildung, Ausbildung und den Alltag unbegleiteter junger Flüchtlinge. Im Fokus steht die Vermittlung von Lehrstellen.

In einem lebendigen Teil des 15. Bezirks liegt, auf Etage Eins eines großen Altbaus, das kleine, ruhige lobby.16-Office. Es wirkt eher wie eine Wohnung, in der statt Couch und Kasten ein paar Tische mehr stehen, wo die MitarbeiterInnen mit Blick in den ruhigen Innenhof ihre To Do-Listen abarbeiten. Darauf stehen vermutlich Tasks wie „Organisation Kulturtraining-Workshop“, „Vorbereitung Termin Wirtschaftskammer“ oder „Check Ehrenamtlichen-Bewerbungen“. Dinge, die ein Verein eben tut, der sich darauf spezialisiert hat, jungen unbegleiteten Flüchtlingen, die hier Aufenthaltsrecht haben, Bildung und Lehre zu ermöglichen. Und sie auf diese Weise nachhaltig zu integrieren.  

Leiterin des Vereins, der hier seit 2008 zuhause ist, ist Irmgard Kischko. Davor war sie selber Patin eines moldawischen Buben, der ohne Eltern nach Österreich gekommen war. „Damals habe ich festgestellt: Die jungen Flüchtlinge kommen hierher, um sich ein Leben aufzubauen. Und um sich ein Leben aufzubauen, brauchen sie erstens Bildung und zweitens einen Job, der ihnen auch längerfristig eine Lebensbasis gibt. So ist dieses Projekt entstanden.“ Gemeinsam mit der damaligen Leiterin von „connecting people“, eben jenem Patenprojekt, gründete Irmgard Kischko lobby.16 – die Zahl steht für das Alter, in dem viele der Jugendlichen sind, um die es hier geht. Finanziert wurde der Start von einer Privatperson. Irmgard Kischko arbeitet von Beginn an ehrenamtlich.

Man begann im kleinen Rahmen, mit zehn Jugendlichen aus Moldawien, Georgien und den Balkanländern. Über die Jahre wurden die Klassen größer, auch die Herkunftsländer änderten sich – es kamen zunehmend Afghanen und Syrer, aber auch Iraker und Somalis, „hauptsächlich Burschen“, so Irmgard Kischko. „Es gibt kaum unbegleitete Mädchen. Und ein Mädchen in eine Klasse mit 50 Burschen zu setzen, das klappt nirgendwo.“

Lesen, Schreiben, Rechnen. Kulturtraining, Frauenbild, Konfliktlösung.

Was bedeutet es im Konkreten, unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen – im Fachjargon abgekürzt UMF – Bildung zu ermöglichen? Da sind einerseits Kurse in Deutsch, Englisch und Mathematik sowie Nachhilfe und Mentoring durch Ehrenamtliche. Workshops, die die Integration fördern sollen – die Jugendlichen lernen über das Sozialsystem in Österreich und Basics über das Arbeits- und Lehrlingsrecht, sie erhalten ein so genanntes Kulturtraining und werden im Umgang mit Konflikten geschult. „Unsere Burschen strecken einem bei der Begrüßung sofort die Hand entgegen. Und ja, das Frauenbild ist ein anderes – deshalb machen wir auch dazu Workshops. Hier arbeiten fast nur Frauen – und es gibt nie Probleme.“

Zusammen kommt man weniger allein durch die Lehre
Auf der anderen Seite steht die Lehre: „Die Jungs in Jobs zu bringen ist eine unserer Hauptaufgaben“, sagt Irmgard Kischko. lobby.16 begleitet die Jugendlichen bei der Suche nach Lehrstellen, bereitet sie auf Vorstellungsgespräche vor und steht ihnen während der Lehrjahre unterstützend zur Seite. „Es gibt immer wieder welche, die aufgeben – zum Glück sind das nur Einzelfälle, aber es kommt vor. Man muss sich vorstellen: Das sind Jugendliche, die allein sind, die viel erlebt haben, was nicht schön war, und deren Eltern nicht greifbar sind. Die brauchen sehr viel Halt.“ Deshalb vermittelt der Verein, wenn nötig, auch psychologische Hilfe. Oder macht die Buben auf den Fußball- oder Cricketclub aufmerksam, wenn das passend erscheint. Am beliebtesten sind technische und Handwerksberufe: KFZ-Mechaniker, Maschinenbauer, Schlosser. Aber auch in Einzelhandel und Gastronomie werden viele Lehrstellen vermittelt. Der aktuelle Status: „Insgesamt haben wir derzeit rund 200 Lehrlinge und 46 haben die Kurse gerade abgeschlossen. Davon haben gut 20 eine Lehrstellenzusage, der Rest sucht noch.“

„Die Wirtschaft steht hinter uns.“

Um Lehrstellen vermitteln zu können, braucht lobby.16 gute Kontakte in die Privatwirtschaft. Die hat sie sich im Laufe der Jahre aufgebaut. Der Verein arbeitet mit einer Reihe an großen und kleineren Unternehmen zusammen. „Die Wirtschaft steht hinter uns. Aber die Stimmung in der Politik ist seit 2015, als so viele Flüchtlinge nach Österreich gekommen sind, sehr negativ geworden. Und die Unternehmen haben Angst, Lehrlinge zu nehmen, die nach zwei Jahren erst recht wieder abgeschoben werden – wobei unsere Burschen ja keine Asylwerber sind.“ Die Herausforderungen sind groß, keine Frage, vor allem, weil lobby.16 auf Spenden angewiesen ist.

Aber dann gibt es die Erfolgsgeschichten, die Antrieb geben. „Es ist eine Riesenfreude zu sehen wie die Burschen oft verzweifelt herkommen und dann, wenn sie eine Arbeit haben, richtig aufblühen.“ Einer von Irmgard Kischkos Schützlingen wurde zum Integrationsbotschafter ernannt. Ein anderer wurde bei dem Telekommunikationsunternehmen, in dem er eine Lehre absolviert hatte, fest angestellt. Für positiv aufgeladene Geschichten wie diese lohnt es sich, Tag für Tag die Tür des kleinen, ruihgen Büros auf Etage Eins eines großen Altbaus in einem lebendigen Teil von 1150 Wien aufzusperren.

 

 

Damit lobby.16 weiterhin diese großartige Arbeit leisten kann, spenden wir dem Verein alle Gelder, die während des Grätzlfests eingenommen werden.

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